„Die Akzeptanz für Agri-PV ist sehr hoch – besonders in Kombination mit Bürger-Genossenschaften"

Foto: Bürgerverein Beuren

Ob Genossenschaft, Gemeinde oder Landwirt – Agri-PV bringt sie zusammen. Axel Pustet im Gespräch über reale Projekte, politische Hindernisse und die Chancen einer neuen Solarbewegung.

Was macht ihr bei axess solar genau – und wie bist du selbst zum Thema Agri-PV gekommen? 

Zum Thema Agri-PV bin ich gekommen, weil ich seit 2011 mit Nachführsystemen (umgangssprachlich Tracker genannt) zu tun habe. Von unseren eigenen Trackern haben wir in Afrika zwischen 2016 und 2020, also bis Corona mehr als 500 MW produziert, geliefert und installiert. Ein früherer Kollege hat mich 2022 auf ein Agri-PV-Projekt mit Trackern in Österreich aufmerksam gemacht, seitdem bin ich für das Thema Feuer und Flamme. 

Nach jahrelanger Arbeit mit großen internationalen Solarfirmen wollte ich kleinere, lokale Projekte für Landwirte und Energiegenossenschaften umsetzen. Mit axess solar machen wir genau das, wir beraten regionale Partner und verbreiten die Idee. Aktuell bearbeiten wir 116 Bauanträge für 1 MW-Agri-PV, davon sind 45 genehmigt. Zudem unterstützen wir z. B. den Bürgerverein Beuren e.V. bei einem 4,2 MW-Projekt in Singen, und gründen eine Genossenschaft für ein Bürgerenergie-Projekt an der Autobahn. 

Letztendlich haben Bürgergenossenschaften deutliche Vorteile im Markt.

Was macht Agri-PV aus deiner Sicht besonders spannend und wie gut funktioniert das mit der landwirtschaftlichen Nutzung unter den Modulen wirklich? 

Spannend ist einerseits, dass Agri-PV durch das EEG auf fast allen Flächen förderfähig ist. Zum anderen hoffen wir, dass sich der Kampf um landwirtschaftliche Flächen verändern wird, wenn diese gleichzeitig für die Energieerzeugung genutzt werden. PV-Anlagen liefern ca. 40-fach mehr Energie als Energiepflanzen für Biogasanlagen. So bleiben landwirtschaftliche Flächen erhalten, und Höfe gewinnen ein zusätzliches Standbein, was ihr Überleben sichert. Tracker-PV-Anlagen erzeugen mehr Strom in den Randstunden, wenn Energie knapp und teuer ist, und reduzieren den Bedarf an Batterien, die für die Energiewende essenziell sind. 

Durch die Erfahrung mit zig Bauanträgen sind wir natürlich auch sensibilisiert worden.  Wir lehnen mittlerweile Kunden ab, die „Alibi-Agri-PV“ errichten wollen, bei der zu geringe Reihenabstände die landwirtschaftliche Nutzung einschränken. 

Eine von uns in Auftrag gegebene Fraunhofer-ISE-Studie (2023) bestätigt, dass Agri-PV bei geeigneten Abständen sowohl landwirtschaftliche als auch Solarerträge für Kulturen wie Gemüse, Raps oder Weizen sichert. Erste Anlagen belegen dies auch in der Praxis. 

Axel Pustet

Axel Pustet ist Geschäftsführer der axess solar GmbH und Pionier im Bereich Freiflächen-Photovoltaik mit Nachführsystemen. Seit 2011 realisiert er nationale und internationale Tracker‑PV‑Projekte und fördert als Mentor im Bundesverband Bürgerenergie gezielt Agri‑PV‑Vorhaben von Energiegenossenschaften.

Ihr arbeitet auch mit Energiegenossenschaften zusammen, wie läuft so eine Zusammenarbeit ab und was würdest du Genossenschaften, die sich dafür interessieren mit auf den Weg geben? 

Wir sind Mentor im Programm des Bundesverbands Bürgerenergie, das Bürgerenergiegenossenschaften Agri-PV näherbringt. Am 1./2. Juli 2025 findet ein Workshop vor Ort auf der Agri-PV-Anlage in Beuren (Singen) statt. Voraussetzung für erfolgreiche Projekte ist eine detaillierte Analyse, um Risiken auszuschließen. Man muss sich alles ansehen, die Einspeisemöglichkeiten ins Netz bzw. Kombination mit anderen Energieformen (z. B. Fernwärme), rechtliche Rahmenbedingungen, Wirtschaftlichkeit, Bodenrisiken sowie Solar- und landwirtschaftliche Erträge. Auch Fragen, wie stelle ich sicher, dass ich den Status Agri-PV langfristig nicht verliere, sind wichtig.  

 
Gibt es bereits realisierte Projekte, bei denen sich gezeigt hat, dass Agri-PV und Bürgerenergie besonders gut harmonieren? Welche Erfahrungen konnten dabei gesammelt werden – auch im Hinblick auf Akzeptanz, Wirtschaftlichkeit und Zusammenarbeit? 

Die Akzeptanz für Agri-PV ist sehr hoch, wobei Behörden zunehmend auf „echte“ Agri-PV achten. Gemeinden lehnen oft normale PV ab, begrüßen aber Agri-PV, besonders in Kombination mit Bürgergenossenschaften oder Vereinen. Die Einbindung der Gemeinde erleichtert den Prozess zusätzlich. Genehmigungsverfahren bei Landratsämtern und Städten laufen mit Agri-PV schneller, insbesondere wenn Bürger beteiligt sind, wie beim 4,2 MWp-Projekt in Beuren. Beim Spatenstich waren der Bürgerverein, die Sparkasse, der Bürgermeister, der Anlagenbauer und unterstützende Politiker aus Bundestag und EU anwesend – es war eine große Ehre für uns auch dabei gewesen zu sein. 

Ich traue es mich fast nicht zu sagen, aber im Endeffekt ist es China.“

In deiner Arbeit mit verschiedensten Akteuren der Energiewende, wo siehst du die Rolle der Genossenschaften in fünf Jahren – eher als nette Ergänzung oder als echten Treiber der Energiewende mit einem hohen Anteil an der Energieerzeugung? 

Die Bürgerenergiegenossenschaften werden nicht die sogenannten „großen“ ersetzen können. Ich hoffe aber schon, dass Bürgergenossenschaften einen höheren Anteil an der Stromerzeugung erreichen. Viele Projekte mittlerer Größe, z.B. 5 bis 15 MW sind in der Hand von Bürgergenossenschaften deutlich einfacher zu realisieren. Ich denke, dass auch die Kommunen und die aktuell aufkommenden Regionalwerke lieber mit Bürgergenossenschaften zusammenarbeiten wollen. Letztendlich haben Bürgergenossenschaften durch die regionale Wertschöpfung deutliche Vorteile im Markt, die sie auch nutzen werden. Die „großen“ haben Tracker (nur in Deutschland) noch nicht so sehr auf dem Radar, Agri-PV bietet Möglichkeiten, hier einfach schneller zu sein. 

Du bist schon seit Jahren aktiv im Bereich der Energiewende, in Deutschland und darüber hinaus. Wenn du mit all deiner Erfahrung auf die aktuelle Lage schaust, insbesondere im Bereich Agri-PV, wo siehst du derzeit die größte Chance für eine gelingende Transformation? Was muss die Politik konkret angehen? 

Die letzte Bundesregierung hat viel getan, viel auf den Weg gebracht, wie das Solarpaket 1, das seit Mai 2024 in Kraft ist. Es sieht einen deutlich erhöhten Technologiebonus für Agri-PV vor. Manchen ist der zu hoch, aber wir sehen ihn als notwendige, vorübergehende Anschubfinanzierung für die Etablierung der besten Form der solaren Energieerzeugung. International sind Tracker Standard und nur in Deutschland die Ausnahme. Das ist auch logisch, da Tracker ca. 25 % mehr Ertrag bringen. 

Die EU-Beihilfegenehmigung fehlt aktuell noch und das führt dazu, dass fertig errichtete Anlagen – wie in Beuren – nicht eingeschaltet werden. Der Hintergrund ist, dass die EU im Zeichen der erhöhten Preise für Strom zu Beginn des Kriegs in der Ukraine gefordert hat, die sogenannten „Übererlöse“ auch der Solar- und Windanlagen gesetzlich abzuschöpfen. Ich bin zuversichtlich, dass die Beihilfegenehmigung kommt, da im Wirtschaftsministerium daran gearbeitet wird, und uns auch hochrangige Politiker aller Parteien unterstützen.  

Natürlich haben auch wir Bedenken, dass durch die Besetzung des Wirtschaftsministeriums aus dem Management von großen Energieversorgern die fossile Oil&Gas Industrie, wie in den USA auch, gestärkt werden könnte. Dies widerspricht aber in allen Punkten der Strategie der EU, die auf eine günstige, klimaneutrale Energiepolitik setzt. Wir sind also nach wie vor positiv, dass sich die Vernunft auch in Zeiten wie dieser durchsetzt. 

Solarpark des Bürgervereins Beuren e.V. (Foto: Bürgerverein Beuren)

Gibt es Beispiele von denen wir in der EU und Deutschland lernen können und wenn ja, was können wir lernen? 

Ich traue es mich fast nicht zu sagen, aber im Endeffekt ist es China. Sie sind es, die Klimaschutz, regenerative Energieerzeugung, Elektro-Mobilität und günstige Strompreise am stärksten vorantreiben. Auch in den USA war dies unter der letzten Legislaturperiode der Fall. Hier ist die wichtige Frage, was ist das kleinere Übel, die Komponenten für die Energieerzeugung einzukaufen oder sich abhängig zu machen von Rohstoffimporten? 

Es gibt aber auch andere Beispiele, z.B. Südafrika. Das Besondere ist, dass sie ein Programm aufgesetzt haben, in dem klare Forderungen formuliert wurden, wie die nationale Wertschöpfung gefördert wird, durch und beim Ausbau von Erneuerbaren Energien. 

Oder Uruguay, die innerhalb kürzester Zeit die Energieversorgung fast komplett auf erneuerbare Energien umgestellt haben. Was ich interessant dort fand, war, dass das Narrativ nicht Klimaschutz, sondern günstigere Kosten durch Unabhängigkeit von Importen war. 

Am Ende gilt: je mehr Beispiele und Genossenschaften es gibt, umso besser.

Wo siehst du Agri-PV in den nächsten fünf Jahren und welche Rolle könnten Energiegenossenschaften dabei spielen?  
 
Ich denke, es geht aus den Antworten klar hervor. In Italien sind auf der Freifläche nur noch Agri-PV-Anlagen genehmigungsfähig. Wenn wir es endlich schaffen unsere Vorbehalte gegen die Technologie zu überwinden, wird es auch bei uns in Kombination mit der Landwirtschaft und der aufkommenden Batterietechnik die günstigste Form der Energieerzeugung auf Freiflächen werden. Es hat auch viel mit Akzeptanz zu tun, weshalb ich von einer Stärkung der Kommunen und Bürgergenossenschaften ausgehe.

Das ist die Erwartungshaltung, ich hoffe das sich das gegen die Konzerninteressen und deren Lobby durchsetzen lässt. Am Ende gilt: je mehr Beispiele und Genossenschaften es gibt, umso besser.
 
 
Und wenn heute ein Landwirt oder eine Bürgerenergie-Genossenschaft zu dir kommt und starten will – was empfiehlst du denen als ersten Schritt?  

Dem Landwirt stelle ich Fragen: Willst Du es selber machen? Oder auch mit Partnern/Bürgergenossenschaften? Wie willst Du beteiligt werden? 

Die Bürgergenossenschaften sollten sich vor allem die Frage stellen: welche Rahmenbedingungen gibt es, um mit den „großen“ Anlagen konkurrieren zu können und was können wir besser? 

Gemeinsam die Transformation meistern! Gemeinsam davon profitieren.

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